Anmerkungen zur Strukturbezogenen Psychotherapie Rudolf, G. – veröffentlicht am 29.9.2014

Die in der AG Operationale Psychodynamische Diagnostik getroffene Unterscheidung von Konflikt-bedingten und Struktur-bedingten Störungen , die Ausarbeitung des Strukturkonzepts und der Strukturbezogenen Psychotherapie haben bei den Psychotherapeuten große Resonanz gefunden. Diese Themen sind heute selbverständlicher Bestandteil der therapeutischen Ausbildung und Praxis in der Richtlinienpsychotherapie und der stationären Behandlung. Für einen erheblichen Teil der schwerer beeinträchtigten Patienten-solchen mit Persönlichkeitsstörungen, Eßstörungen, Abhängigkeitserkrankungen und Selbstschädigungstendenzen-, bedeutet dieser Ansatz eine deutliche Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten.

Neue Konzepte fallen stets auf den Boden des bereits Vorhandenen und müssen in das Bestehende integriert werden. Für das psychoanalytisch-psychodynamische Denken bedeutet das u. U. eine Irritation, weil nun nicht mehr regelhaft eine Standardmethode zur Anwendung kommt, sondern Modifikationen erforderlich werden. Das ist der Fall, wenn das dem Patienten verfügbare Strukturniveau ernstgenommen und die Interventionen darauf ausgerichtet werden. Bei einem zum Beispiel gering integrierten Struturniveau sind die mentalen Vorstellungen des eigenen Selbst und der wichtigen Andern wenig differenziert, wenig realistisch, schwarz oder weiß polarisiert. Die Beziehungserwartungen sind überhöht sehnsüchtig in ihren Ansprüchen, uU impulsiv feindselig und fragil unbeständig mit dem Risiko plötzlicher Abrisse. Strukturbezogene Psychotherapie würde dem Patienten diese dysfunktionalen Muster spiegelnd verdeutlichen und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, sie zu verändernd einzuüben und durchzuarbeiten. Das fällt u. U. Therapeuten schwer, die an der früher oft genannten Überzeugung festhalten, eine gute therapeutisch Beziehung sei Voraussetzung für jede gelingende Therapie. Eine initiale gute Beziehung ist aber mit strukturell beeinträchtigten Patienten nicht möglich, da die basale Beziehungsstörung Charakteristikum der Störung ist. So tendieren manche Therapeuten dazu, ihre Patienten strukturell zu übersschätzen. Kaum jemals wird im Bericht zum Antrag das Strukturniveau schlechter als „mäßig integriert“ eingeschätzt (selbst wenn eine Borderline-Störung diagnostiziert wurde), so daß sofort oder nach kurzzeitigem modifizierten Arbeiten wieder die zu deutende Übertragungsbeziehung oder die Durcharbeitung emotionaler Belastungen der Biographie in den Vordergrund gerückt wird. Das Ergebnis sind nicht selten langwierige therapeutische Verstrickungen oder plötzliche Behandlungskrisen und –abbrüche. So beschäftigt sich Supervision häufig mit schwierigen Verläufen, die aus dem problematischen Versuch resultieren, strukturelle Störungen Konflikt-und Übertagungszentriert zu behandeln.

Entscheidend ist eine therapeutische Haltung, die den Patienten so annimmt, wie er ist und die Beziehungsschwierigkeiten nicht interpretiert, sondern in ihrer Dysfunktionalität ernstnimmt und gemeinsam mit dem Patienten nach Alternativen sucht, um Schaden von ihm abzuwenden.

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